Dschungelgefängnis by Roman von

Dschungelgefängnis by Roman von

Autor:Roman von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: MARTERPFAHL VERLAG
veröffentlicht: 2017-02-26T16:00:00+00:00


XIV

An der Essensausgabe hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Anita, die sich unmittelbar hinter Sara hielt, nahm ein abgewetztes, aber immerhin sauberes Blechtablett von einem Stapel und reihte sich ein. Löffel, Gabel und einen Blechbecher, den sie mit Wasser aus einem Tank füllte, gab es einige Meter weiter. Kein Messer.

Das Mittagessen sah nicht wesentlich besser aus als das Frühstück. Immerhin etwas Fleisch in einer dünnen Brühe, dazu das wässrige Weißbrot. Die Gefangenen nahmen an den langen Tisch- und Bankreihen Platz. Anita kam neben Lina zu sitzen, mit dem nackten Po auf glattpoliertem Holz, und ihr gegenüber ließ sich Sara nieder. Die Frau mit der Löwenmähne steuerte auf Sara zu, doch Josefa schob sich dazwischen.

Anita öffnete den Mund, um Lina zu fragen, ob man sich gegebenenfalls einen Nachschlag holen könne, doch die Rothaarige winkte hastig ab und wandte den Kopf zur Seite.

Richtig, dachte Anita, es ist ja verboten, während des Essens zu sprechen!

Nur zweihundertfaches Löffelgeklapper und das vereinzelte Klirren der Fußketten begleiteten das Mahl. Acht Wachen hatten sich beiderseits der Tischreihen verteilt und ließen ihre Blicke über die Frauen schweifen.

Als Anita ihre Schüssel geleert hatte, fühlte sie sich wider Erwarten gesättigt. Sie sah sich um. Die meisten anderen waren ebenfalls fertig. Durfte man bereits aufstehen? Aber es war sicher am besten, still sitzen zu bleiben und nicht aufzufallen.

Schließlich ertönte ein schriller Pfiff, ausgestoßen von einem der Wärter. Bestecke und Becher klapperten, als die Frauen aufstanden und zur Essensausgabe gingen, um Tablett und Geschirr wieder abzuliefern. Anita erreichte den Gang unmittelbar hinter Sara und hörte, wie diese der Löwenmähnigen, die Josefa kurzerhand beiseite gedrängt hatte, etwas zuflüsterte. Kannten sich die beiden? Aber die Löwenmähnige war ein Neuzugang. Wenn überhaupt, müssten sich Sara und sie von früher kennen. Und dann die Szene in der Dusche … Warum hatte Sara in den Kampf eingegriffen? Sie musste doch wissen, wie gefährlich es war, in eine Auseinandersetzung verwickelt zu werden!

Doch Anita war nicht die Einzige, die das kurze Gespräch bemerkt hatte. Plötzlich stand ein Wärter neben den beiden, der gleiche, der die Streithähne in der Dusche getrennt hatte.

»Du schon wieder – und du!«

Er winkte einen Kollegen heran und wies auf Sara und die Löwenmähnige, die mit einem Mal stocksteif dastanden. Anita machte einige hastige Schritte zur Seite. Was immer jetzt geschah, sie wollte unter keinen Umständen ein Teil davon werden. Zu plastisch stand ihr noch die Szene im Hof vor Augen.

Aus einer Traube von anderen Häftlingen heraus beobachtete sie verstohlen, wie die beiden Frauen mit Handschellen gefesselt und abgeführt wurden. Was würde mit ihnen geschehen? Was war die Strafe für das Sprechen im Speisesaal?

Anitas Blick begegnete dem eines Wärters. Rasch wandte sie den Kopf und trottete hinter den anderen her.

Zurück in der Zelle starrte sie auf Saras leere Pritsche. Sie fühlte Mitleid mit der dunkelhäutigen Frau mit der rauchigen Stimme, natürlich, aber da war noch etwas anderes: Furcht. Sara war der ruhende Pol in der Zelle gewesen, die Einzige, die Anita so etwas wie Sicherheit gegeben hatte. Wer würde sie schützen, wenn Josefa wieder ausrastete? Lina gewiss nicht.



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